Gedanken

Einige Gedanken nach 25 Jahren Steinbildhauerkursen

Warum 4-5 Tage und nicht 2?
2 Tage genügen zum Probieren. Um die Erfahrung des eigenen Potentials und der eigenen kreativen Ressourcen zu machen braucht es Zeit. Sich Zeit zum Steinhauen nehmen bedeutet dem Wechsel der eigenen Gefühlslagen (Kann ich das? Wow, ist das toll! Was mache ich? Was soll ich machen? Das kriege ich nie fertig? Das ist von mir?!) und genau dadurch der wirklichen, eigenen Kreativität und Originalität Raum zu geben – mag sie dann leise oder laut, spektakulär oder still erscheinen oder beides. Man kann Stein auch kürzer hauen. Sein Potential (übrigens auch für die eigene Lebensgestaltung) und seine dienend-spiegelnden Eigenschaften wird man dabei nur im Ansatz erfahren.

Warum draussen und nicht drinnen?
Die Natur arbeitet mit. Der Stein klingt anders. Der Staub sammelt sich nicht in der Luft. Der Körper freut sich über die Entspannung, den weichen Boden und die frische Luft.
Der Kursplatz ist gut geschützt und doch mit freier Sicht auf die Berge südlich, die Wiesen nördlich und östlich und den Wald westlich. Der Blick wandert zwischen Stein und Grün und stösst nicht gegen Wände. Man fühlt sich freier, und mehr bei sich.

Warum ein weicher Stein und nicht Marmor?
Es geht um Ausdruck und Erfindung – darum, das kommen zu lassen, was kommen will und als kreatives Potential in jedem von uns direkt vorhanden ist. Marmor und Co. lassen wenig Spielraum, den eigenen Ausdruck vollständig auszuarbeiten: für ein-und dasselbe Stück in Marmor braucht man 5 mal so lange als in dem von uns verwendeten Stein.

Warum 100 und nicht 40kg?
Ein Gegenüber. Den nichts so schnell umwirft. Der nicht zerbrechlich ist. Auf den man keine Rücksicht nehmen muss, und den man alleine schon aufgrund seiner Masse spürt. Und doch ‚weich‘ und zügig formbar. Und: das Gegenüber ist mit einfachen Mitteln bei Bedarf auch auf weniger Kilogramm reduzierbar.
Masse=Energie=Eigenleben=Verbindung-auf-Augenhöhe.

Warum ein Block und kein Findling?
Ein Block ist neutral und gibt weniger „Inspiration“ als ein Findling oder ein Bruchstein, in denen man ‚Formen‘ und Figurationen entdecken kann: die Kreativität kann beim Block mehr von innen, aus dem Teilnehmer selbst kommen.

Und es ist erstaunlich, wie schnell diese Kreativität bei jedem tatsächlich kommt – gerade so, als hätte eine dem Teilnehmer ureigene, vom außen unabhängigere Kreativität schon lange auf so eine Gelegenheit gewartet. Also keine Schule und keine Hierarchie des Könnens, sondern Erfahrung der eigenen, authentischen Ausdrucksstärke, der eigenen Ressourcen und des eigenen Vergnügens am Schaffen. Eigene Kraft und eigene Spontanität, eigene Zweifel und Ängste, eigene Durchbrüche und eigener Spaß, eigener Witz und eigene Verrücktheit, eigene Ruhe und eigener Bezug zum Material, eigener Einfallsreichtum und noch einiges anderes Eigenes: nicht beigebracht und nicht pädagogisch erzeugt, sondern aufgrund einer besonderen Kombination von Mensch, Material und Atmosphäre ermöglicht.
In dieser Erfahrung entsteht Selbstvertrauen in den eigenen Ausdruck und die eigene Schaffenskraft quasi als beabsichtigtes Nebenprodukt.
Eine Erfahrung, an die man sich erinnern kann: beim nächsten Stein, oder beim nächsten Problem, oder beim nächsten Mal, wo einem wieder einmal jemand dreinreden will. Die Erfahrung einer einem selbst innewohnenden Kraft, die maßgeschneiderte, eigenständige Lösungen für das eigene Leben produzieren kann. Wenn man sie nur lässt. Und dass man sie lassen kann, erlebt man während 4 Tagen vor einem 100 Kilogramm schweren Steinblock.